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Der tiefer liegende Glaube

Wenn wir unsere Glaubenssätze untersuchen dann bekommen wir mittlerweile relativ schnell heraus, dass wir negative Selbstbilder über uns haben, wie z.B. "du bist nicht gut genug", "du wirst versagen", "niemand liebt dich", etc.
Im nächsten Schritt finden wir vielleicht heraus, dass wir uns blockieren auf der Ebene der Handlung. Wir stellen z.B. fest, dass wir Dinge glauben wie "ich kann das nicht", "ich sollte mich nicht bewerben", "ich kann sie/ihn nicht ansprechen", usw. Was wir hierbei vielleicht manchmal übersehen ist, dass wenn wir einen solchen Glaubenssatz untersuchen möchten, dann möchten wir das weil sich bereits eine kleine Agenda in uns versteckt hat. Wir untersuchen "ich kann das nicht" weil wir uns auf "ich kann das" fokussieren wollen und unseren Selbst-Glauben dahin wechseln wollen. Genau so mit "ich sollte mich nicht bewerben". Nach der Untersuchung des stressigen Gedankens wird klar: natürlich kann ich mich bewerben. Da wollten wir hin.

Nun kommt die Herausforderung. Ich habe immer wieder festgestellt, dass die Motivation von einem sogenannten negativen Glaubenssatz zu einem sogenannten positiven Glaubenssatz zu wechseln selbst einen stressigen Hintergrund haben kann. Wir wollen "ich kann das nicht" untersuchen um "endlich" raus zu kommen aus diesem negativen Gedanken. Oder wir untersuchen "ich werde eh abgelehnt", denn wir wollen uns innerlich "endlich" verändern um "unser Potenzial" zu leben, damit wir endlich gut genug sind. Ich habe viele Male festgestellt, dass hier die Magie aufhört. Viele von uns die sich mit Meditation und Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt haben, haben schon so einige Male gemerkt, dass sich manchmal auch eine Veränderung in der Umwelt zeigt, wenn wir innerlich einen Widerstand auflösen konnten oder wir einen negativen Glaubenssatz loslassen konnten. Das ist auch sehr gut. D.h. wir untersuchen z.B. unseren Stress den wir mit einer Person haben und sobald wir sie akzeptieren können wie sie ist, begegnet sie uns plötzlich sogar anders. "Aha", sagt also der Verstand, "dann brauch ich also nur meine Gedanken über die Personen zu verändern, DAMIT sie sich mir gegenüber verändern". Hier haben wir nun angefangen eine Agenda einzubauen und leben nicht mehr wirklich aufrichtig das Akzeptieren.
Ich spürte irgendwann während der Untersuchung der stressigen Gedanken wie "ich werde niemals reich", "sie will nicht mit mir zusammen sein" und einigen mehr, dass ich versuchte mich "umzupolen", damit ich doch noch an diese Dinge komme. Ich untersuchte "ich werde niemals reich" UM reich zu werden. Ich untersuchte "sie will nicht mit mir zusammen sein" DAMIT sie oder andere Frauen mit mir zusammen sein wollen. Hier war die Unaufrichtigkeit.

Für Kenner der Methode The Work kann man sagen, ich habe versucht mich raus zu worken aus dem was ich in Frage 3 „wie reagierst du denn du den stressigen Gedanken glaubst?“ entdeckt habe und ich habe mich versucht rein zu worken in das was ich bei Frage 4 „wer wärst du ohne diesen stressigen Gedanken?“ gefunden habe. Den einen Inhalt wollte ich durch Techniken quasi raus operieren, die anderen Dinge, die sich gut angefühlt haben wollte ich rein operieren. Das heißt ich war nicht 100%ig aufrichtig bei der Untersuchung und beim Prozess des Bewusstwerdens. Ich wollte mir nicht einfach nur der Tatsache bewusst werden wie ich auf der einen und auf der anderen Seite bin, um ein Entdecker dessen zu sein was gerade ist, sondern ich wollte mich umpolen um „endlich glücklich sein zu können“. Allein dieses Motiv und diese Unehrlichkeit verursacht wieder Stress.
Das heißt ich habe festgestellt, dass unter dem Glaubenssatz, den ich gefunden habe noch ein tieferes Bedürfnis lag. Es gab nicht nur den Stress mit dem Vorwurf, dass ich niemals reich werde, sondern es gab immer noch das stressige Verlangen reich werden zu müssen. Das heißt der ehrlichere Glaubenssatz, den es zu untersuchen galt lautete "ich brauche Reichtum". Ist es wirklich wahr, dass ich den Reichtum brauche? Der tiefer liegende Glaubenssatz bei der Frau war "ich brauche sie" und "ich brauche eine Freundin". Ich habe ebenfalls festgestellt, und das habe ich sowohl bei mir als auch bei anderen, dass wir diese Glaubenssätze manchmal ungern untersuchen. Wir möchten nicht das Ziel aus dem Auge verlieren. Wir möchten die Spannung zu Reichtum und zu einem Lebenspartner nicht so tief untersuchen um dann festzustellen, dass wir ja völlig frei davon sein können. Wir haben Angst uns dann leer zu fühlen und ziellos zu werden. In Wirklichkeit aber kommen wir dadurch noch viel mehr in eine innere Fülle, aber das ist ja schon wieder ein Motiv. :-)

Deswegen ist meine Einladung folgende:
Wenn ein Glaubenssatz gefunden wird, den man untersuchen möchte, zB mit The Work nach Byron Katie oder mit anderen Methoden, dann lade ich euch ein folgende Frage zu probieren: "Welche Agenda verfolge ich beim Untersuchen dieses Glaubenssatzes?“
Hier also nochmal ein konkretes Beispiel:
Wir möchten uns genau den stressigen Gedanken anschauen „der Chef sollte mir zuhören“. Den Glaubenssatz können wir mit der Methode unserer Wahl untersuchen und auflösen. Wir fragen nun aber zusätzlich „welches Motiv verfolge ich wenn ich diesen Gedanken untersuche?“ Es könnten Antworten auftauchen wie:
Ich will diesen stressigen Gedanken auflösen, damit ich endlich jemand bin, ...
- der von anderen akzeptiert wird
- dem zugehört wird
- der Standhaft seine Meinung vertritt,
dann bin ich endlich gut genug. Dann kann ich mich endlich akzeptieren.

Hier soll nochmal klargestellt werden, dass diese 3 Eigenschaften sehr wohl positive Eigenschaften eines Menschen sein können. Doch wenn wir glauben, dass ich „endlich“ so sein MUSS und erst dann kann ich glücklich sein, dann leiden wir!
Es ist wunderbar von anderen akzeptiert zu werden, aber wenn es gerade nicht so ist, dann ist es wunderbar sich selber zu akzeptieren, trotz dem nicht akzeptiert werden der Anderen. Es ist wunderbar, wenn einem zugehört wird, doch wenn es nicht so ist, ist es ein Zeichen der Größe, wenn man daran nicht leidet und diese Tatsache ganz annimmt, während man natürlich ruhigen Geistes die Situation reflektieren kann. Es ist wunderbar, wenn man auch seine Meinung vertreten kann, aber wenn man im Stress mit sich selber ist und Angst hat davor in die Ecke gedrängt zu werden, dann können wir uns auch hier sehr wohl genau so annehmen und diese Angst auch fühlen und ausfühlen. Keine der 3 Eigenschaften MUSS sein, damit wir uns erlauben können glücklich zu sein. Keine der 3 Eigenschaften sollten die versteckten Agenda sein, wenn wir den stressigen Gedanken untersuchen „der Chef sollte mir zuhören“.
Glaube ich trotz der Untersuchung immer noch, dass mein Leben in eine gewisse Richtung gehen MUSS, dann finde heraus welcher Glaube dem zugrunde liegt und erlaube dir, dass dieser Glaube sich umkehrt.
Ein weiterer Vorschlag für eine Übung:
Frage dich was du im Leben alles noch schaffen solltest und frage dich was du glaubst wie du dich verändern solltest.
Nachdem du die Liste gemacht hast, mache eine zweite Liste und frage dich "was könnte mein Motiv sein diese stressigen Gedanken (aus der ersten Liste) aufzulösen? Was gewinne ich dann?" Sei ehrlich und schau genau hin.
Und nun gehe hin und untersuche beide Listen.

Viel Freude.
Mike